Es war noch dunkel, als es an meiner Mäusepavillontür klopfte...
Gerade erst erwacht, torkelte ich zur Tür und sah Brummsi von Hummel. Ganz aufgeregt flog er seine Runden um das grüne Karussell. Mir wurde ganz mäuseduselig! Immer wieder kreiste er brummend um den stillstehenden Kreisel. Als er mich bemerkte, setzte er im Sturzflug zu einer Landung an. Ich zog den Kopf ein und Brummsi sauste mit einem Affenzahn an mir vorbei. Es gab einen lauten Knall und dann war es still…
Brummsi schüttelte sich kurz und kam dann auf mich zu gelaufen. Jetzt wusste ich auch, warum er einen Helm trug.
Zusammen gingen wir in meinen Pavillon und ich erfuhr den Grund seiner Aufregung. Es gab einen Plan! Franz, Waldemar und der Bruchpilot konnten nicht schlafen. Sie trafen sich gestern noch einmal und saßen zusammen bei Kuhrina im Stall. Mit Honigmilch bewaffnet überlegten sie, wie es nun weitergehen sollte.
Uns stand ja eine kleine Reise bevor. König Corona musste gefunden werden. Waldemar schlug vor, bei den Technikmenschen vorbeizuschauen. Er hatte dort einen alten Bollerwagen gesehen. Den könnte man ganz leicht zu einem Reisegefährt umbauen. Ein Segel fand sich bestimmt den Reinemachemenschen. Ein großes Betttuch hängt dort bestimmt auf einer Leine. Das stibitzen wir einfach. Wind gab es hier oben auf unserem Halbinselland genug.
Nachdem ich alle Einzelheiten erfahren hatte, machten Brummsi und ich uns auf den Weg zu Waldemar und Franz. Eine gespenstige Stille begleitete uns. Niemand war zu hören! Vor einer Woche spielten hier noch ganz viele kleine Menschen. Jetzt war alles verlassen. Für einen kurzen Moment wurde ich wieder ganz traurig. Ich wischte eine Träne von meiner Mäusewange und versuchte Brummsis Tempo zu halten. Wir hatten ja einen Plan!
Waldemar und Franz erwarteten uns bereits, als wir den Stall erreichten. Der Bollerwagen stand auch schon hier. Den hatte Waldemar, unter Einsatz seines Lebens, von den Repariermenschen gemopst. Es fehlte uns nur noch ein großes Tuch. Das besorgten Franz und ich in der Wäscherei. Es war einfacher, als gedacht. Von den Wäschemenschen war tatsächlich niemand zu sehen. Wir spazierten einfach in den Vorratsraum der Reinigung und suchten uns ein besonders kräftiges Betttuch aus.
Im Stall angekommen, begannen wir sofort mit dem Zusammenbau unserer Segelkonstruktion. Der kugelrunde Feuerball stand schon am höchsten Punkt des blauen Himmels, als unser Reisegefährt fertig war. Es wartete nur darauf, uns zu neuen Abenteuern zu bringen. Kuhrina versorgte uns noch mit vielen Leckereien. Die sollten für einige Tage reichen! Franz und ich sprangen in den Segelwagen und Waldemar schob uns bis zum großen Parkplatz. Er blieb hier vor Ort und hielt mit Kuhrina die Stellung. Sollte es irgendwelche Neuigkeiten geben, würde Waldemar eine Brieftaube schicken.
Mit dem nächsten Wind setzte sich unser Wagen in Bewegung und wir sausten vom Parkplatz auf die Holperstrasse. Es ging am Hafen vorbei und den Bodden entlang. Auch hier war alles leer. Nichtmal die Wasserreiter mit ihren Flatterdrachen waren zu sehen. Dieser Corona schien wirklich sehr mächtig zu sein. Einen Vorteil hatte das mysteriöse Menschenverschwinden allerdings. Wir mussten nicht aufpassen, dass wir entdeckt werden. Mir waren die lebhaften Wege voller kleiner und großer Zweibeiner aber lieber. Der Wind brachte uns weiter den Bodden entlang. Es ging bergauf und bergab, über Wiesen und Felder, bis an ein kleines Wäldchen. Bakenberg stand auf dem Schild, dass sich Brummsi für eine kleine Pause ausgesucht hatte. Als er uns sah, setzte er seinen Helm auf und flog auf die Spitze unseres Segels. Er schlug uns vor, zum Kap Arkona zu fahren. Während seines Fluges hatte er von zwei wilden Bienen etwas von einer Burg gehört. Vielleicht hielt sich der König dort auf.
Wir warteten auf den nächsten Wind und fuhren dann weiter am Waldrand entlang. Schon von weitem sahen wir einen kleinen und einen großen Turm. Brummis, der neben uns herflog erzählte, das diese zum Kap Arkona, dem nördlichsten Punkt unserer Insel, gehörten. Nicht weit entfernt stand ein dritter Turm und direkt dahinter erkannten wir einen Wall. Dieser musste zu der Burg gehören! Wir versteckten unseren Segelflitzer im Gebüsch und kletterten den Wall hinauf. Ich war ganz aufgeregt. Oben angekommen sahen wir nichts. Keine Burg! Nicht einmal ein kleines Haus! Wir sahen nur ein großes Wasser, dass in vielen blauen Farben leuchtete. Es war viel größer als unser kleiner Bodden. Ein Sturmvogel, der uns entdeckte, flog zu uns. Er erzählte uns, dass dieses Wasser von den Menschen Ostsee genannt wird. Wir fragten ihn nach der Burg und er lachte kurz. Schon vor vielen Jahren wäre sie ins Wasser gestürzt und einen König gab es hier auch nicht.
Ein wenig enttäuscht verweilten wir noch hier auf dem Burgwall und beobachteten die großen Wellen, die an die Steilküste schlugen. Das Rauschen des Wassers hatte etwas sehr beruhigendes und ich fing an, von den kleinen Menschenkindern zu träumen. Wir spielten am Strand und planschten im flachen Wasser. Wäre es doch bald wieder so! Ich hatte garnicht bemerkt, dass die Sonne untergegangen war. Franz und Brummsi schlugen vor, die Nacht hier zu verbringen und morgen weiterzusuchen. Ich stimmte zu und wir schlugen unser Nachtlager im Bollerwagen auf.
Mit dem Bauch voll von Kuhrinas Leckereien schlief ich unter dem funkelnden Sternenhimmel ein. Früh am nächsten Morgen ging unsere Suche weiter. Der erste frische Wind schob unseren Segelwagen weiter die Küste entlang. Es ging vorbei an einem kleinen Dorf. Die Häuser waren alle mit Stroh bedeckt und ziemlich winzig. Für einen König sicher nicht der richtige Ort. Wir hielten uns nicht lange auf und brausten weiter. Es ging auf und ab, rechts und links und ich musste nicht ordentlich festhalten. Nach einer aufregenden Fahrt erreichten wir einen großen Hügel. An den Seiten hatte jemand riesige Steine aufgebaut. Es sah fast aus, wie ein großes Boot. Vielleicht kam König Corona über das Meer auf unsere Insel? Wenn dies sein Schiff war, musste er hier ja irgendwo sein.
Wir schauten uns vorsichtig um. Brummsi flog hoch und betrachtete den Hügel von oben. Franz und ich untersuchten jeden Stein nach möglichen spuren. Wir fanden aber nur ein Schild am Rande des Hügels. Das Schiff nannte sich Hünengrab! Was war denn nochmal ein Hüne? Hühner kannte ich aber Hühnen. Der schlaue Franz wusste die Antwort und erklärte mir, dass die Riesen früher Hünen genannt wurden. Ich fühlte, dass wir unserem Ziel ganz nahe waren und kombinierte unsere bisherigen Entdeckungen. König Corona war ein Riese, der über das Meer auf die Insel gekommen ist. Er ließ sein Hünenschiff hier und hatte große Macht. Nur wo war er jetzt?
Brummsi kam zu uns herunter und berichtete, dass weit und breit kein Mensch zu sehen war. Es gruselte mich bei dem Gedanken an den mächtigen Hünenkönig Corona und wir beschlossen, uns von der nächsten Windböe weitertreiben zu lassen. Es ging wieder über Felder und Wiesen. Manchmal etwas holperig, oft aber wie im Flug. Wir erreichten einen größeren Ort. Altenkirchen stand auf einer gelben Tafel. Ich erinnerte mich an eine Geschichte, die mir ein kleiner Mensch erzählte. In Altenkirchen gab es eine alte Kirche, in der es einen besonderen Stein zu entdecken gab. Auf diesem Stein soll ein Gott abgebildet sein. Ich glaube er hieß Svuntevat. Oder Sventevut? Nein, es war Svantevit. Er hatte vier Köpfe und jeder Kopf schaute in eine Himmelsrichtung. Vielleicht war das unser mächtiger Riesenkönig?
Bei unserer Suche nach der Kirche landete plötzlich ein alter Bekannter auf unserem Segelbollerwagen. Es war Emailo, unsere Dorfbrieftaube. Sie plapperte und gurrte sofort los. Wir sollten unbedingt zurückkommen. Waldemar hatte wichtige Neuigkeiten für uns. Mehr verstanden wir nicht bei dem ganzen Gegurre. Was hatte Waldemar herausgefunden? Ich war ganz aufgeregt.
Die Rückfahrt dauerte ewig. Der Wind hatte gedreht und wir kamen kaum vorwärts. Brummsi schob uns mit aller Kraft an. Kurz vor dem Hafen frischte der Wind auf und wir sausten die letzten Meter bis über den großen Parkplatz. Waldemar erwartete uns bereits. Irgendetwas war merkwürdig. Erst jetzt fielen mir die vielen großen und kleinen Menschen auf. Sie waren zurück! Waldemar erzählte uns, dass plötzlich die Tore geöffnet wurden. Erst kamen nur große Menschen. Sie räumten Tische und Stühle umher, schauten sich alles ganz genau an, hängten merkwürdige Schilder auf und klebten irgendwelche Streifen auf den Boden. Abstand halten!
Franz und ich erzählten von unseren Entdeckungen und dem mächtigen Hünenkönig Corona. Waldemar grunzte und hielt sich den Bauch. Er lachte und lachte. Wir verstanden gar nichts mehr. Das vergnügte Schweinchen sprach von einem Virus. Corona war kein König, sondern eine Krankheit. Sie war so gefährlich, dass die Menschen sich vor ihr verstecken mussten. Sie durften jetzt wieder aus ihren Verstecken kommen, mussten aber ihre Gesichter verschleiern, damit Corona sie nicht erkennt. Seit dem Beginn des sechsten Monates sind nun wieder kleine und große Menschen hier bei uns. Die großen und mittelgroßen Menschen verstecken ihre Gesichter. Die kleinen Menschen kann man strahlen sehen. Ich freue mich auf die gemeinsamen Stunden und die vielen neuen Abenteuer mit den kleinen Menschen. Ich habe mir auch einen kleinen Mäuseschnäutzchenvorhang besorgt. König Corona soll mich ja auch nicht entdecken…