Tango – eine Metapher für Erziehung und Menschenführung

Ein Impuls aus meiner Praxis als Rehabegleiter, Vater und leidenschaftlicher Tangotänzer

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe (ehemalige) Mütter, Väter und WegbegleiterInnen,

heute möchte ich Sie mitnehmen auf eine kleine tänzerische Reise – nicht auf das Parkett, sondern in die Tiefe unserer Beziehungen zu Kindern, PartnerInnen und auch zu uns selbst. Als Rehabegleiter und Pädagoge, Vater zweier Kinder und leidenschaftlicher Tangotänzer entdecke ich immer wieder überraschende Parallelen zwischen dem Tango Argentino und der Kunst, Menschen zu begleiten – insbesondere unsere Kinder.

hrung und Hingabe auf Augenhöhe

Im Tango gibt es eine Führungsrolle und eine Folgerolle – das klingt auf den ersten Blick hierarchisch, ist es aber nicht. Denn das Geheimnis eines gelungenen Tangos ist die gegenseitige Wahrnehmung und das Zuhören mit dem ganzen Körper. Die führende Person initiiert Bewegungen, aber sie zwingt nicht. Die folgende Person nimmt Impulse auf, interpretiert sie und antwortet mit Eigeninitiative und Kreativität. Das Zusammenspiel lebt von Vertrauen, Respekt und gegenseitiger Verantwortung.

Genauso ist es in der Erziehung
Unsere Kinder brauchen Orientierung und Halt – aber keine Kontrolle. Sie brauchen Führung – aber keine Dominanz. Wenn wir ihnen mit Präsenz begegnen, ihre Bedürfnisse wahrnehmen, und uns selbst gleichzeitig klar zeigen, entsteht ein Miteinander, das Wachstum ermöglicht – auf beiden Seiten.

Der Moment entscheidet nicht das Ziel

Im Tango planen wir nicht die nächsten 10 Schritte. Wir tanzen Schritt für Schritt – mit dem, was der Moment bringt. Auch im Alltag mit Kindern erleben wir Unvorhergesehenes: Trotzanfälle, Tränen, Umarmungen zur falschen Zeit, Fragen mitten in der Nacht. Wer immer nur am Ziel festhält („Kind muss jetzt ins Bett!“), verpasst die Chance, offen zu sein für das, was sich gerade zeigt, und damit ein Geschenk für unsere Nächsten.

Systemisch gesprochen: es geht nicht um starre Erziehungsrezepte, sondern um Beziehungsprozesse, die wir gemeinsam gestalten – flexibel, aufmerksam, lernbereit.

Balance von Nähe und Autonomie

Im Tango gibt es Phasen enger Umarmung und solche mit mehr Abstand. Beide braucht es – wie auch im Familienleben. Manchmal müssen wir loslassen, damit unser Kind wachsen kann. Manchmal müssen wir Halt geben, damit es sich nicht verliert. Und manchmal brauchen wir selbst Abstand – um wieder in unsere Kraft zu tanken.

In der Mutter/Vater-Kind-Klinik erleben viele Eltern diese Balance neu. Zwischen Verantwortung und Selbstfürsorge, zwischen Geben und Empfangen, zwischen Loslassen und Halt. Der Tango lehrt uns: Nur, wer mit sich im Reinen ist, kann gut in eine Beziehung treten.

Mein Impuls an Sie

Vielleicht mögen Sie heute einmal ganz bewusst „tanzen“ – nicht mit Musik, sondern mit Ihrem Kind, Ihrer Partnerin, einem Kollegen:
🎵 Nehmen Sie wahr – ohne gleich zu reagieren.
🎵 Führen Sie einen Impuls – und beobachten Sie, wie Ihr Gegenüber antwortet.
🎵 Bleiben Sie in Verbindung, auch wenn es nicht rund läuft.
🎵 Und: Vergessen Sie den Perfektionismus.

Es geht nicht um den perfekten Tanz – sondern um das gemeinsame Erleben.

Herzliche Grüße,
Ihr Markus Koch

AOK-Klinik Rügen mit Bänken im Park
Haupthaus und Nebengebäude der AOK-Klinik Rügen eingebettet in Parklandschaft
Boote im Yachthafen, der Marina Wiek-Rügen nahe der Kurklinik
Gebäude der AOK-Klinik Rügen eingebettet in Parklandschaft mit der Ostsee im Hintergrund