Nachdenkliches über den Herbst

Herbstgedicht
Die Blätter fallen, als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit. Wir alle fallen.
Diese Hand da fällt. Doch ist da Einer,
der dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

Diese Zeilen sind ein Auszug aus einem nachdenklichen Gedicht des Poeten Rainer Maria Rilke. Er sinnt viel über den Herbst nach. Diese kalte Jahreszeit, in der alles dunkel und matschig zu werden scheint und die vielen Menschen zu schaffen macht; -Älteren Menschen, die jetzt vielleicht allein sind, oder Kindern, die im Dunkeln von der Schule zurück nach Hause laufen müssen.

Doch der Herbst ist schon lange meine Lieblings-Jahreszeit. Früher, als ich noch ein Kind war, bin ich immer lange mit meinem Vater in unserem kleinen Park spazieren gegangen. Das Knacken der heruntergefallenen Blätter unter meinen Füßen und der Geruch von frischem Regen sind mir noch heute in Erinnerung. Am Ende dieser kleinen Ausflüge warfen wir uns dann meistens in die Laubhaufen, die die Parkwärter am Wiesenrand zusammengekehrt hatten. Jetzt, wenn ich auf der Straße wieder die alljährliche, langweilige Parade aus grauen und schwarzen Winterjacken sehe, erinnere ich mich daran. Und während es draußen schon um 17 Uhr dämmert, leuchtet das Licht warm in mir weiter.

Einige denken im Herbst an Grippewelle und andere Infektionskrankheiten, verzweifeln an der Dunkelheit. Andere träumen allerdings auch vom Sommer. Vom Licht und einer besseren Zeit. Keiner will hier sein, so scheint es mir manchmal. Mein Vater ist in Gedanken auf Kreta und zieht den Kragen seiner Jacke fröstelnd höher und auch ich säße jetzt lieber mit anderen Kunststudenten auf der Wiese vor unserer Hochschule. Doch ich weiß, dass das eben gerade nicht möglich ist. Dann denke ich daran, dass ich Glück habe, nicht einsam zu sein. Nicht irgendwo in der Kälte zu liegen und zu frieren, wie der Obdachlose in seinem Schlafsack, den ich im letzten Winter in einer Ruine liegen sah, mitten in der Stadt, in der andere im Restaurant Prosecco trinken. Ich habe das Privileg, aus einem Fenster hinausschauen zu dürfen, nicht in der Kälte stehen zu müssen und die hell erleuchteten, gemütlichen Wohnungen von außen zu sehen. Unsere Familie geht regelmäßig zum Gottesdienst. Dieser findet in diesem Herbst aber nicht statt. In unserer Gemeinde sind viele ältere, teilweise auch alleinstehende Menschen, für die das eine absolut schlimme Situation ist.

Die Gemeinschaft mit anderen war das, was diesen Menschen in ihrem Leben noch Halt gegeben hat und nun fällt das einfach so weg. Mein Vater hatte eine Idee. Um den älteren Menschen unserer Gemeinde zu zeigen, dass wir an sie denken und sie nicht vergessen haben, hat er aus Holz mehrere schöne Herzen geschnitzt, die wir unseren Gemeinde-Mitgliedern schenken möchten. Gestern standen wir in der Werkstatt, haben die Herzen geschliffen und bemalt.

Von ganzem Herzen wünsche ich euch, dass ihr nicht allein seid, weder im Herbst noch sonst irgendwann! Bitte denkt an die Menschen in eurem Leben und um euch herum, verschließt nicht die Augen vor Einsamkeit und Not, denn der Herbst kann auch eine Zeit der Nähe und der Begegnungen sein.